Reisebüros in der Not
Dass die momentane Coronakrise viele verschiedene Branchen treffen würde, das war bereits früh bekannt. Besonders hart getroffen hat es die Tourismusbranche. Aufgrund von Pandemiebeschränkungen, Grenzschließungen und den staatlichen Maßnahmen war lange an Urlaub außerhalb Deutschlands gar nicht zu denken. Rolf und Monika Neu betreiben das Reisebüro S.U.N. in der Gießener Straße und hatten Ende August Besuch von der FDP-Fraktion des Landkreises Gießen.
Für das Ehepaar ist das tägliche Geschäft momentan eine mentale Herausforderung. Sie haben bereits zu Beginn der Pandemie die Soforthilfe beantragt. „Da kamen dann etwa fünftausend Euro bei rum, geholfen hat das nur am Anfang“, so der Betreiber. Die Überbrückungshilfe wurde von der Soforthilfe direkt abgezogen. Das Ehepaar versucht, sein Reisebüro mit allen Mitteln zu halten. Kurzarbeitergeld und staatliche Hilfen halten den Laden zurzeit am Laufen. „Ich bekomme momentan Hartz IV, wissen Sie, wie sich das anfühlt?“, fragt Rolf Neu in die Runde. Seit März haben die beiden Unternehmer kein Geld bekommen, sie sind größtenteils von ihrem Partner TUI Reisen abhängig. Dort wurden aber die meisten Reisen storniert oder vorgeschlagen, Gutscheine auszustellen. Viele seien gerade zu Beginn der Pandemie vertröstet worden und nun enttäuscht.
Die Stornierungen übersteigen die Neubuchungen deutlich und je strenger die Restriktionen, desto weniger Interesse hätten Kunden daran, Urlaub zu machen. Die Reisewarnungen sorgen zudem dafür, dass das Reisebüro wieder den Zustand wie zu Beginn der Pandemie habe. Kritisiert wird von den Betreibern vor allem die nicht einheitliche Regelung von Stornogebühren und die mangelnde Umsetzung der Beschränkungen im Reiseverkehr. Am Frankfurter Flughafen gäbe es zwar nun die Coronatests für Reiserückkehrer, jedoch würden selbst da die Abstandsregeln nicht eingehalten.
Der Appell der beiden Reisebürobetreiber geht auch in Richtung der Politik. Viele Politiker hätten zu Beginn der Pandemie nicht gewusst, wie ein Reisebüro funktioniert, so Rolf Neu. „Als selbstständiges Reisebüro lebt man nur von Provision und die gibt es erst, wenn die Person abgereist ist“, so der Unternehmer. Einen Kredit können die beiden aufgrund der unsicheren Lage momentan nicht aufnehmen. Die größte Sorge ist, dass der Anbieter TUI am Ende in die Insolvenz gerät, ähnlich wie es bei Thomas Cook der Fall war. Dann könne man auch das eigene Reisebüro mit rund 200 Stammkunden nicht mehr halten.
Kritik ging auch in Richtung der Behörden, besonders was die Förderungen betrifft: „Es soll alles unbürokratischer sein während Corona. Davon merke ich im Moment nicht viel“, meint Rolf Neu. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es eine einfache Variante, die Situation zu retten: „Beendet einfach offiziell jetzt die Saison, die eigentlich bis Ende Oktober laufen würde“, so der Vorschlag des Lollarer Unternehmers. Der Vorsitzende des FDP-Kreisverbands Gießen Dennis Pucher nahm die Anregungen und Meinungen der Familie Neu auf. Der Einladung nach Lollar vorangegangen war ein Unterstützungsbrief des FDP-Kreisverbands an Branchen, die in Not geraten waren.